Chefsache AfD: Der Kontakt zwischen AfD und »mittelständischen Unternehmen« wird wieder enger

Die Diskussion um die Klassenbasis der AfD verengt sich häufig auf die Frage, wer die Partei wählt. Weithin unbeachtet bleibt dabei, dass das rechte Projekt auch Kapitalfraktionen hinter sich vereinen möchte. Entgegen den Verlautbarungen, eine Partei »der kleinen Leute« zu sein, orientieren Petry, Meuthen und Co. programmatisch auf Teile der Wirtschaft. So vertritt die AfD ein im Kern neoliberales Wirtschafts- und Sozialprogramm, spricht sich etwa für Liberalisierungen, Deregulierungen und für Steuererleichterungen für Besserverdienende aus. Auch nachdem die wirtschaftsnahen Vertreter Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel der Partei den Rücken gekehrt haben, tummeln sich vor allem auf kommunaler Ebene weiterhin Unternehmer_innen in der AfD. Laut dem Magazin WirtschaftsWoche ist die Mitgliederzahl des AfD-Mittelstandsforums nach der Spaltung im Juli 2015 stabil geblieben. Auch namhafte Unternehmer, die noch zu Lucke-Zeiten sich öffentlich zur AfD bekannten, fühlen sich weiterhin der Partei verbunden.

Es ist allerdings eine bestimmte Kapitalfraktion, auf die die AfD schielt. Während das exportorientierte (Industrie-)Kapital den Aufstieg der Rechten mit Sorge sieht, kann die AfD bei Unternehmen punkten, die tendenziell auf regionale und lokale Absatzmärkte setzen. Der Grund für die Unterstützung der AfD durch Teile der Wirtschaft gerade zur Anfangszeit, als die Partei vor allem die Eurorettungspolitik der Bundesregierung kritisierte: Ein exportorientierter Konzern profitiert vom europäischen Binnenmarkt ebenso wie vom – im Vergleich zur D-Mark – eher billigen Euro, weil er seine Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Hingegen macht es für ein Unternehmen, das für den Inlandsmarkt produziert, keinen eklatanten Unterschied, ob die Waren in Euro oder D-Mark bezahlt werden. Ein ähnlicher Widerspruch innerhalb der Kapitalseite gibt es bei der Diskussion um TTIP: Gerade kleinere Unternehmen, die nicht vom Export abhängen, fürchten im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung die mögliche verschärfte Konkurrenz.

Enge Kontakte zum Familienunternehmerverband

Für die Rosa Luxemburg Stiftung untersuchten Frederic Heine und Thomas Sablowski im Jahr 2013 die »Europapolitik des deutschen Machtblocks und ihre Widersprüche«. Grundlage ihrer Analyse waren Positionspapiere und Pressemitteilungen von Wirtschaftsverbänden zur Krisenpolitik. Ein Verband stach bei der Analyse heraus: die Familienunternehmer. Es war der einzige Verband, der sich während der Eurokrise grundsätzlich gegen die Eurorettungspolitik der damaligen schwarzgelben Bundesregierung gestellt hat. Außerdem forderte er den Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone. Überdies verlangte er der Studie zufolge »eine weitere Verschärfung der fiskalpolitischen Maßnahmen«, wendete sich gegen »jede Form von wirtschaftspolitischer Europäisierung« und bediente sich »einer zum Teil rechtspopulistischen Rhetorik«. Heine und Sablowski resümierten, dass die national-konservativen und orthodox-neoliberalen Kräfte aus den Kreisen der Familienunternehmer in der AfD ihren parteipolitischen Ausdruck gefunden haben.

Gerade in der Anfangszeit der AfD gab es enge Kontakte zwischen den »Familienunternehmern« und der AfD. Bei einer Veranstaltung kurz vor der Bundestagswahl 2013 äußerte sich etwa Peer-Robin Paulus, der Leiter Abteilung Politik und Wirtschaft des Verbandes, sehr freundlich über die neue Partei: »Wer eine gute CDU will, muss die AfD wählen.« Ebenso deutlich war das symbolische Statement kurz vor den Wahlen zum Europaparlament: Anfang Mai 2014 hielt der Familienunternehmerverband ein großes Treffen in Dresden ab. Prominenter Redner war damals Bernd Lucke, der zur besten Redezeit seine Euro- und Europakonzepte vorstellen durfte. Keine andere Wirtschaftsinstitution ging mit der AfD so früh auf Tuchfühlung. Anlässlich der Einladung erklärte der Hauptgeschäftsführer der Familienunternehmer, Albrecht von der Hagen: »Damit zeigen wir, wie unzufrieden wir mit der jetzigen Bundesregierung sind« und fuhr fort: »Viele Fragen der AfD sind auch unsere Fragen«. Doch die offizielle Liaison währte nicht lange. Ein Jahr später, beim Familienunternehmertag im April 2015, kamen alle großen Parteien in Panels zu Wort – alle bis zu auf zwei: DIE LINKE und die AfD.

Lutz Goebel, der Präsident des Familienunternehmerverbands, äußert sich seit etwa zwei Jahren regelmäßig scharf ablehnend, wenn es um die AfD geht. So bereits im September 2014 in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Zwar wiederholte er die Auffassung seines Hauptgeschäftsführers, die AfD stelle die richtigen Fragen. Er fügte allerdings hinzu, die Partei »gibt aber die falschen Antworten«. Noch deutlicher wurde er im März 2016. Vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt warnte Goebel vor der Wahl der AfD. Die Partei »missbraucht die Ängste vieler Menschen, um nach und nach das Wertegerüst unserer Gesellschaft der Erosion preiszugeben«. Und weiter: »Wer nicht wählt, wählt indirekt die AfD und damit eine Partei, die das Schießen auf Flüchtlinge für legitim erklärt.«

Woher dieser Kurswechsel? Erstens dürfte die AfD vielen im Verband schlicht zu rechts geworden sein. Zwar bestand anfänglich die Hoffnung, mittels der AfD Druck auf die Union und die FDP aufbauen zu können, doch mit der zunehmenden Öffnung in Richtung völkischer Kreise haben vor allem die gemäßigteren Kräfte im Verband von dieser Strategie abgelassen. Zweitens sind im Verband sehr unterschiedliche Interessen vertreten – einige der sogenannten Familienunternehmen, besonders in Süddeutschland, sind direkt auf den Markt außerhalb Deutschlands angewiesen – oder mittelbar, wenn sie etwa Zulieferer für die Autoindustrie sind. Eine Abschaffung des Euros oder ein Austritt aus der EU ist nicht in ihrem Sinne. Drittens dürften selbst die Teile, die der AfD wohlgesonnen sind und die Partei auch gerne offen unterstützen würden, nicht an einer Spaltung des Verbands interessiert sein. Um zu verhindern, dass sich zwei nebeneinander existierende Lobbyorganisationen gegenseitig schwächen, befinden sie sich aufgrund ungünstiger Kräfteverhältnisse innerhalb des Verbands in der Defensive.

Zusammenarbeit über Bande

Doch es irrt, wer glaubt, dass die Kontakte zwischen den reaktionären Teilen des Familienunternehmerverbands und der AfD gänzlich abgebrochen sind. Über Bande gibt es weiterhin enge Verbindungen. Die Bande: Die Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft und die mit dieser eng kooperierenden Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft. (ak 614) Sie setzen sich zur Förderung marktradikaler Ideen im Sinne des neoliberalen Vordenkers Hayek ein.

Eine zentrale Person der Hayek-Gesellschaft ist Gerd Habermann. Er ist Geschäftsführer und engagiert sich vor allem für den Aufbau von Gesprächskreisen, den sogenannten Hayek-Clubs. Die Liste der Referent_innen verdeutlicht, in welchem Spektrum die Hayek-Clubs angesiedelt sind. Eingeladen wurden neben Thilo Sarrazin und Henryk M. Broder auch mal ein Verfassungsschützer, Journalist_innen und marktfundamentalistische FDP-Politiker. Ebenso dürfen sich AfD-Politiker_innen wie Beatrix von Storch immer wieder über Einladungen freuen. Zudem gibt es direkte personelle Überschneidungen zwischen der AfD und der Hayek-Gesellschaft. So ist der Kölner Vorsitzende der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD, gemeinsam mit Mirko Wilde Leiter des örtlichen Hayek-Clubs. Manche Ortsgruppen der AfD warben in der Vergangenheit auf Facebook für Veranstaltungen der Hayek-Gesellschaft.

Doch die Hayek-Gesellschaft ist nicht nur ein Sammelbecken für die AfD. Auch einige Funktionäre der »Familienunternehmer« sind gern gesehene Gäste oder Mitglieder. Das kommt nicht von ungefähr: Habermann war bis Oktober 2010 Direktor des Familienunternehmerverbands. Auch Peer-Robin Paulus ist Mitglied, ebenso sind Klaus-Werner Schatz und Frank Schäffler sowohl bei der Hayek-Gesellschaft als auch in einflussreichen Positionen im Familienunternehmerverband aktiv. Besonders pikant: Im Juli 2015 spaltete sich nicht nur die AfD, sondern auch die Hayek-Gesellschaft. Namhafte Personen wie der FDP-Chef Christian Lindner und die Publizistin Karen Horn traten aus Protest über die zunehmende Rechtsverschiebung der Hayek-Gesellschaft aus. Horn war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzende der Gesellschaft. Sie warf Habermann vor, die Gesellschaft nach rechts führen zu wollen. Der Einfluss der »Familienunternehmer« in der Hayek-Gesellschaft hat dadurch in jüngster Zeit sogar zugenommen. Lobbypedia zufolge kam der Austritt der Liberalen dem Familienunternehmerverband zugute: Im Rahmen der nach der Spaltung notwendigen Umstrukturierung »verstärkte der Verein seine Präsenz in deren Leitungsgremien«.

Es zeigt sich: Die Verbindungen zwischen der AfD und Teilen des Kapitals sind keineswegs abgebrochen. Teilweise über Umwege stehen »mittelständische Unternehmer« und AfD weiterhin in Kontakt miteinander. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Verbindungen vertiefen werden und sich auch Unternehmer offen zur AfD bekennen werden, wenn sich die Partei etabliert und der bereits begonnene Normalisierungsprozess der AfD weiter vorangeschritten ist. Die AfD ist als rechte Alternative zu Union und FDP für die Chefetagen noch längst nicht abgeschrieben.

 

Infokasten: Der Verband der Familienunternehmer

Dem Verband gehören 5.000 Unternehmer_innen an, deren Betriebe ca. 1,7 Millionen Beschäftigte haben. Nur wenige sind international agierende Unternehmen, allerdings ist ihr Einfluss innerhalb des Verbands groß. Nach eigenem Bekunden repräsentiert der Verband die Interessen von 180.000 Familienunternehmen in Deutschland, die acht Millionen Mitarbeiter_innen beschäftigen. Voraussetzung für die Mitgliedschaft sind mindestens zehn abhängig Beschäftigte und ein Jahresumsatz von über einer Million Euro.

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Erschienen in ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 619 / 20.9.2016.