AfD: Machtkampf mit Spaltpotenzial

Ein gutes halbes Jahr vor der Bundestagswahl eskaliert in der AfD erneut der Flügelkampf. Dabei geht es nicht nur um Personalfragen, sondern auch um die grundsätzliche Ausrichtung der Partei. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht wieder einmal der Rechtsaußen Björn Höcke. Dieser hielt Mitte Januar auf Einladung der Jungen Alternative in Dresden eine vielbeachtete Rede. Das deutsche Volk sei das einzige der Welt, »das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat«. Vor allem die Bezeichnung »Denkmal der Schande« hat für Unmut gesorgt. Das anschließende Zurückrudern Höckes war einstudiert. Natürlich sei alles nur ein Missverständnis. Die deutsche Grammatik lässt durchaus Interpretationsspielraum, wenn zwei Nomen durch einen Genitiv verbunden werden. Hat nun die Schande ein Denkmal bekommen – oder ist das Denkmal selbst eine Schande? Der Kontext verrät, das der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag zweites meint. Denn er forderte eine »erinnerungspolitische Wende um 180 Grad«. Die »dämliche Bewältigungspolitik« lähme Deutschland.

Doch so einfach kam er mit dem kalkulierten Tabubruch dieses Mal nicht durch: Die Kritik ebbte nicht, wie sonst üblich, nach wenigen Tagen ab – auch nicht innerhalb der AfD. Die Co-Vorsitzende Frauke Petry ging in einem parteiinternen Rundschreiben an alle Mitglieder auf Konfrontationskurs. Die Rede enthalte »Sprengpotenzial für die Einheit der Partei« und »für das Demokratieverständnis der AfD«. Petry und Höcke fanden sich noch vor knapp zwei Jahren in einem Zweckbündnis wieder, um den Parteigründer Bernd Lucke loszuwerden. Petry gewann damals bei dem Spaltungsparteitag die Kampfabstimmung um den Vorsitz gegen Lucke – dank der Unterstützung des völkischen Flügels um Höcke.

Seitdem befindet sich die völkische Strömung im Aufwind, die neoliberale ist geschwächt und die nationalkonservative unter Druck. Einige sehen deshalb in der AfD bereits eine völkische oder faschistische Partei. Doch dass die Partei – und mit ihr das rechte Projekt insgesamt – nicht nur aus dezidiert dem völkischen Flügel besteht, wird jetzt wieder einmal deutlich. Der heillos zerstrittene AfD-Bundesvorstand hat immerhin mit Zweidrittelmehrheit Mitte Februar ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke eingeleitet. Alexander Gauland, Jörg Meuthen, André Poggenburg und Armin-Paul Hampel stimmten dagegen.

Die Höcke-Gegner wissen, dass es schwer werden dürfte mit einem Ausschlussverfahren. Zunächst ist das Landesschiedsgericht Thüringen zuständig; sehr unwahrscheinlich, dass es Höcke ausschließen wird. Anschließend muss wohl das Bundesschiedsgericht tätig werden. Das soll dem völkischen Flügel wohlgesonnen sein. Als der Bundesvorstand im Frühjahr 2016 den saarländischen Landesverband wegen Kontakten zur NPD auflösen wollte, verhinderte das das Bundesschiedsgericht. Egal, wie das Pareiausschlussverfahren letztlich ausgeht: Es wird sich wohl noch lange hinziehen – höchstwahrscheinlich bis nach der Bundestagswahl.

Das Ausschlussverfahren hat deshalb vor allem eine Funktion: Man will es sich nicht mit einem Teil der Zielgruppe verscherzen. Der Bundesvorstand problematisiert in einem aktuellen internen Strategiepapier, die Partei werde in der Öffentlichkeit häufig in die rechte Ecke gestellt. Mit Blick auf die gutsituierte bürgerliche Mitte sei es unerlässlich, sich vom rechten Rand »bewusst und öffentlichkeitswirksam an geeigneten Fällen« abzugrenzen, ein »Exempel zu statuieren«, wie es in dem Papier heißt.

Es geht also nicht um Höcke als Person. Hinter dem Machtkampf verbirgt sich ein schwelender Konflikt zwischen Realos und Fundis. Die Realos sind nicht unbedingt weniger rechts, sondern blicken strategisch auf die Mitte, setzen auf Parlamentarismus und wollen im Stile der FPÖ breite Schichten der Bevölkerung ansprechen. »Wir werden Realisten sein oder politisch irrelevant werden«, sagt Petry. So sieht es auch die Junge Freiheit (JF). In Bezug auf Höcke schreibt sie: Man dürfe sich nicht in den »Krähwinkeleien politischer Romantik verzetteln«. »Zielpublikum einer Partei mit Gestaltungsanspruch dürfen nicht die vielleicht vier bis fünf Prozent der Wähler sein, die die Auffassungen eines Björn Höcke teilen könnten.« Zielpublikum seien »vierzig bis fünfzig Prozent oder sogar noch mehr«. Und JF-Chef Dieter Stein weiß: »Nur mit einem Kurs realpolitischer Vernunft hat sie eine echte Zukunftschance.«

Die Fundis hingegen setzen – um es mit den Worten Höckes zu sagen – auf eine »fundamentaloppositionelle Bewegungspartei«. Für sie sind die Parlamente nicht mehr als eine Plattform – oder wie Höcke bei seiner berüchtigten Rede im November 2015 auf einer Tagung der neurechten Denkfabrik Institut für Staatspolitik meinte: Man solle sich in Anbetracht des einsetzenden Staatsverfalls nicht mit Landtagsarbeit »überbeschäftigten«. »Wir müssen, und da kann es nur eine deutliche und ganz klare Ansage geben, und das gilt für jeden Abgeordneten, und das gilt für jeden Mandatsträger: Wir müssen raus auf die Straßen und aufklären, aufklären, aufklären.« Mit diesem Ansatz steht Höcke nicht alleine. Er weiß mehrere Tausend AfD-Mitglieder auf seiner Seite und hat mit Meuthen und Gauland einflussreiche Verbündete.

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Erschienen in ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 624 / 14.2.2017.