Kleinbürgertum oder kleiner Mann? Im aktuellen Führungsstreit geht es auch um die Frage, wer Kernklientel der AfD ist

Seit der Gründung der AfD hat sich einiges in der Partei getan. Aktuell tobt ein Machtkampf zwischen den drei Flügeln, dessen Ausgang zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen ist. Dabei geht es neben inhaltlichen und persönlichen Fragen auch um die strategische Ausrichtung der Partei. Speziell in der Frage, welche Klassen und Klassenfraktionen angesprochen werden sollen, herrscht Uneinigkeit zwischen den Flügeln.

Die AfD war einst angetreten, um das reaktionäre Kleinbürgertum zu einen. Man gab sich moderat wertkonservativ und vertrat ein nationalneoliberales Wirtschaftsprogramm. Mit Erfolg. Wahlanalysen zu den Bundestagswahlen 2013, den Wahlen zum Europaparlament im Mai 2014 sowie den im Sommer 2014 stattgefundenen Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zeigen, dass genau diese Klien­tel angesprochen wurde: Männlich, unter 45 Jahre, (Fach-)Arbeiter oder selbstständig und sich der Mittelschicht zugehörig fühlend. Außerdem verdiente der ursprüng­liche typische AfD-Wähler überdurchschnittlich gut und war eher vermögend. Darauf deuten verschiedene Studien hin. „Kleinbürgertum oder kleiner Mann? Im aktuellen Führungsstreit geht es auch um die Frage, wer Kernklientel der AfD ist“ weiterlesen

Efter Pegida: kraftiga högervindar blåser i Tyskland

Översättning från tyska: Timo Menke 

Skärskådar man Pegida mot bakgrund av de senaste årens utveckling i Tyskland framträder bilden av en ny höger som håller på att bildas. En höger som kan placeras någonstans mellan nynazistiska och etablerade konservativa miljöer. Forskaren och journalisten Sebastian Friedrich analyserar utvecklingen i Tyskland. „Efter Pegida: kraftiga högervindar blåser i Tyskland“ weiterlesen

Die Agonie eines rechten Projekts: Der Führungsstreit in der AfD eskaliert und könnte die Partei entzweien

Kaum waren die Bürgerschaftswahlen in Bremen beendet, da rief Bernd Lucke zum letzten Gefecht in der Alternative für Deutschland (AfD). In einem Brief an alle Parteimitglieder bekundete er seine Sorge um die Partei. Die AfD sei gespalten: Denen, die sachorientiert kritisieren, aber sich auf dem Boden der wesentlichen Grundsatzentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland befinden, stünden diejenigen gegenüber, die die Systemfrage stellen und sich »neutralistisch, deutschnational, antiislamisch, zuwanderungsfeindlich, teilweise auch antikapitalistisch, antiamerikanisch oder antietatistisch« äußern. Luckes offene Kampfansage: Der Konflikt müsse entschieden werden, auch wenn das zu Mitgliederverlusten auf der einen oder anderen Seite führen würde.

Was Lucke geflissentlich unterschlägt: Er war es, der die Partei einst strategisch nach rechts ausgerichtet hat. Knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl 2013 schrieb Lucke an seine Vorstandskollegen Alexander Gauland und Konrad Adam eine aufschlussreiche Mail, deren Wortlaut Der Spiegel zum Teil veröffentlichte. Gegenüber seinen heutigen erbitterten Kontrahenten forderte er einen Tabubruch, um den bis dahin schleppend laufenden Wahlkampf ein wenig in Fahrt zu bringen. So schlug er vor, Thilo Sarrazin zu vereinnahmen. Das könne viel Aufmerksamkeit, Kritik der linken Presse und viel Zuspruch in der Bevölkerung einbringen. Die mittlerweile aus der AfD ausgetretene Michaela Merz konnte die offene Werbung mit und für Sarrazin damals im Bundesvorstand verhindern. Rückblickend schreibt sie Lucke bei der Öffnung nach rechts eine Schlüsselrolle zu: »Er ist maßgeblich für die spätere Entwicklung verantwortlich, da er die Partei bewusst dem rechten und rechtspopulistischen Rand geöffnet hat.« Die Zusammensetzung der AfD veränderte sich nachhaltig: Die rechten Flügel wurden in der Folge immer mächtiger, und fast alle Liberalkonservativen verließen die Partei. Aus linker Sicht ist der Aufstieg der rechten Flügel eine gute Nachricht.

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Rechtes Versuchslabor: Beim AfD-Bundesparteitag setzt sich Bernd Lucke mit einem Kompromissvorschlag durch

Eigentlich sollte es Ende Januar in Bremen beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) zum großen Showdown kommen. In den Wochen zuvor hatten sich die Parteioberen einen unerbittlichen Schlagabtausch geliefert. Immer wieder war es Bernd Lucke, Hauptinitiator der AfD und Gesicht der Partei, der im Zentrum der Auseinandersetzungen stand. Nicht nur sein Führungsstil wurde kritisiert, sondern auch sein Vorstoß, die Führungsstruktur der Partei zu verändern. Nach Luckes Plänen sollte die AfD künftig von einem einzigen Vorsitzenden geführt werden.

Das missfiel nicht nur den beiden anderen Vorsitzenden, Frauke Petry und Konrad Adam. Bevor die Revolver gezückt werden konnten, fand der Bundesvorstand kurz vor dem Parteitag einen Kompromiss. Zunächst soll die Spitze auf zwei Vorsitzende verkleinert werden und Ende des Jahres gar nur noch aus einer Person bestehen. Es ist eine Übereinkunft, die Lucke deutlich mehr entgegen kommt als seinen Widersacher_innen. Er konnte sich schließlich in Bremen freuen, denn dem Antrag wurde ? wenngleich denkbar knapp ? zugestimmt.

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»Ein wohlstandschauvinistischer Reflex« – Interview im Schweizer vorwärts

Deutschland erlebt derzeit eine Mobilisierung des rechten Spektrums. Im gerade publizierten Buch « Der Aufstieg der AfD – Neokonservative Mobilmachung in Deutschland » befasst sich Sebastian Friedrich* eingehend mit der Partei und beurteilt für den vorwärts die aktuellsten Entwicklungen in Deutschland. „»Ein wohlstandschauvinistischer Reflex« – Interview im Schweizer vorwärts“ weiterlesen

Partei der entsicherten Mitte – Entsolidarisierung, Rassismus, Wohlstandschauvinismus und Ungleichheitsideologien: über die AfD-Kernwähler

Die Gründe für den außerordentlichen Erfolg der AfD bei den Mittelschichten sind in den sozialen, ökonomischen und politischen Veränderungen der vergangen Jahre zu suchen. Zahlreiche Studien belegen, dass die Mittelschicht schrumpft. Eine gemeinsam von der Bertelsmann-Stiftung, dem Deutschen Institut für Wirtschaft und der Universität Bremen im Jahr 2012 durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass seit 1997 der Anteil der Mittelschicht an der Gesamtgesellschaft von 65 auf 58 Prozent gesunken ist. Als Mittelschicht werden dabei diejenigen gefasst, die über 70 bis 150 Prozent des mittleren Einkommens verfügen.

Zugleich sind die unteren und untersten Einkommensschichten um fast vier Millionen Menschen angestiegen. An die Stelle der Aufstiegsmobilität trete zunehmend die Gefahr des sozialen Abstiegs, und die Sorgen um die wirtschaftliche Situation innerhalb der Mittelschicht hätten sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre deutlich vergrößert.

Diese Entwicklung geht mit dem Ausbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse – also befristete, niedrig entlohnte und von mangelnder rechtlicher Absicherung geprägte Lohnarbeit – einher, die nicht nur Teile der Arbeiterklasse betrifft. Dem französischen Soziologen Robert Castel zufolge existiert auch eine »›gehobene‹ Form von Prekarität« in Teilen der Mittelschicht, die gut bis sehr gut qualifiziert sind.

Das betrifft vor allem die Generation der heute unter 40-Jährigen. Die warme Stube der Baby-Boomer-Eltern dient noch als Orientierung, aber wird für immer weniger Menschen der nachfolgenden Generationen zur Lebensrealität. Das wärmende Gefühl sozialer Sicherheit weicht einer klammen Abstiegsangst, die – ob berechtigt oder nicht – immer weitere Teile der Mittelschicht erfasst. Der boomende und sozialstaatlich abgefederte Kapitalismus, der für die Generation der Eltern noch Aufstiegschancen versprach, hat sich gewandelt in einen Krisenkapitalismus, von dem man sich nichts mehr erhofft, sondern der einen stets mit Abstieg oder gar Ausschluss bedroht.

Zur Abstiegsangst gesellte sich im Zuge der Krise zunehmend eine Ablehnung der gegenwärtigen Parteiendemokratie. Hier sind es ebenfalls vor allem Menschen unter 40, die sich durch die bestehenden Parteien immer weniger repräsentiert sehen. Die Abkehr von Parteiorganisationen und parlamentarischer Repräsentation verweist auf ein Phänomen, das Colin Crouch vor einigen Jahren als »Postdemokratie« beschrieben hat. „Partei der entsicherten Mitte – Entsolidarisierung, Rassismus, Wohlstandschauvinismus und Ungleichheitsideologien: über die AfD-Kernwähler“ weiterlesen

Die Gretchenfrage der Union

Die jüngsten Wahlerfolge der Alternative für Deutschland (AfD) lösten im bürgerlichen Lager eine Diskussion um den geeigneten Umgang mit der neuen Partei aus. Die meisten hegemonialen Tageszeitungen stehen der vermeintlichen Alternative verhalten bis ablehnend gegenüber. Selbst die konservative und marktliberale Tageszeitung Die Welt sowie das Boulevard-Blatt BILD beobachten die AfD argwöhnisch. Auch im durcheinandergewirbelten Parteienspektrum ist die AfD derzeit Topthema. Vor allem in der Union wird seit Monaten über den richtigen Kurs gegenüber der Partei um Lucke und Co. gerungen. „Die Gretchenfrage der Union“ weiterlesen

Umgruppierungen im rechten Spektrum

Am 31. August zog die Alternative für Deutschland (AfD) erstmals in ein Landesparlament ein. Das Parteienspektrum in Deutschland wird durcheinandergewirbelt. Dass die AfD bald Teil des Establishments ist, scheint nur noch eine Frage der Zeit. Linke stellt das vor neue Aufgaben.

9,7 Prozent bei der Landtagswahl in Sachsen: Die AfD kann sich zu Recht als strahlende Wahlsiegerin feiern. In manchem Kommentar wurde dagegen ein Zusammenhang konstruiert zwischen ihrem Erfolg und dem Ferienende. So maßregelte SPD-Chef Sigmar Gabriel den sächsischen CDU-Ministerpräsidenten in bester Oberstudienratsmanier: Stanislaw Tillich sei für die geringe Wahlbeteiligung verantwortlich, weil er den Wahltermin auf den letzten Ferientag gelegt habe. Er habe darauf gesetzt, dass viele WählerInnen noch im Urlaub seien und damit NPD und AfD in die Hände gespielt. Eine solche »Dummheit« dürfe sich nicht wiederholen. Nun ist zum einen fraglich, ob die Schulkinder samt ihrer wahlberechtigten Eltern wirklich erst Sonntagnacht aus dem Urlaub kamen. Zum anderen ist es offensichtlich, dass der AfD-Erfolg auf mehr zurückzuführen ist. Auch die zunehmende Marginalisierung der FDP und das Ergebnis der NPD sind einen genaueren Blick wert.

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Hoffnung aus dem Süden

Gut 400 Millionen Menschen waren Ende Mai 2014 dazu aufgerufen, ein neues Europaparlament zu wählen. Rechte Parteien konnten zum Teil erhebliche Zuwächse verzeichnen. Vor dem Hintergrund der Krisen in den letzten Jahren scheint das Ergebnis die Annahme zu bestätigen, ökonomische und soziale Krisen begünstigten nationalistische und reaktionäre Kräfte. Ein genauerer Blick auf die Wahlergebnisse in Europa und speziell in Deutschland offenbart ein differenzierteres Bild. In den südeuropäischen Ländern, wo die Krise bisher die tiefsten Spuren hinterlassen hat, konnte die Rechte kaum profitieren. Ausgenommen von Griechenland – hier holte die neofaschistische Goldene Morgenröte 9,3 Prozent – gewannen rechte Parteien in den »Krisenländern« im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren keine Stimmen hinzu. In Portugal und Spanien bleiben offen rechte Parteien marginal und schicken auch weiterhin keine Abgeordneten ins Parlament.

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Der Geist von Wildbad Kreuth: Die CSU blinkt rechts und hetzt gegen »Armutsmigration«

Kurz vor dem Jahreswechsel tauchte eine Beschlussvorlage für die Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im bayrischen Wildbad Kreuth auf, die eine Debatte um sogenannte Armutsmigration auslöste. Seit dem 1. Januar 2014 gilt in der Europäischen Union (EU) die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, auch für BürgerInnen aus Rumänien und Bulgarien. Die der Presse zugespielten Sätze des CSU-Papiers wurden auf der Klausurtagung dann auch im Kern beschlossen: Es gebe einen fortgesetzten Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch »Armutszuwanderung«, weshalb die CSU »falsche Anreize zur Zuwanderung« verringern wolle. Außerdem werde eine generelle Aussetzung des Sozialleistungsbezuges für die ersten drei Monate des Aufenthaltes in Deutschland geprüft und dem »Sozialleistungsbetrug« der Kampf angesagt. Die kurze Formel lautet: »Wer betrügt, der fliegt«.

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