Praktische Solidarität ist alternativlos: Über die private Unterbringung von Flüchtlingen

Laut einer vor einer Woche erschienenen Emnid-Umfrage würde jeder vierte Deutsche bei sich zu Hause Flüchtlinge aufnehmen. Die Diskussion um private Unterbringungen von Asylbewerbern wurde bereits vergangenes Jahr, als sich der ehemalige Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), Martin Patzelt, für einen »Paradigmenwechsel« in der Flüchtlingspolitik aussprach, entfacht. Der Staat sei angesichts der Flüchtlingsströme sowohl finanziell als auch infrastrukturell überfordert. Nun müssten die Bürger ihrem Staat unter die Arme greifen, so Patzelt weiter. Solange die Flüchtlinge nicht in ihre Heimat zurückkehren können und es keine anderweitigen Unterbringungsmöglichkeiten gibt, könnten diejenigen, die das wollen, kostenlos Wohnraum zur Verfügung stellen. Während der CDU-Bundestagsabgeordnete wie zu erwarten von Seiten der Einwanderungsgegner viel Kritik einstecken musste, erhielt er aus den eigenen Reihen erstaunlich viel Zustimmung.

Schaut man genauer hin, geht es Patzelt und Co. um weit mehr als um eine vorübergehende Hilfeleistung. Der Vorstoß ist der Versuch einer Neoliberalisierung der Flüchtlingspolitik. Ohne Umschweife sollen die Behörden aus ihrer Verantwortung entlassen werden, angemessen für die Unterbringung und Versorgung von Hilfesuchenden zu sorgen. So argumentierte Patzelt: »Bei akuter menschlicher Not dürfen Menschen nicht auf staatliche Aktion verweisen.« Dabei ist seit langem bekannt, dass sich Menschen zunehmend Krieg, Vertreibung und Not ausgesetzt sehen. Trotzdem wird so getan, als sei der Staat »plötzlich« mit einem unerwarteten Problem konfrontiert. Die missliche Lage, in der sich momentan viele Geflüchtete in Deutschland wiederfinden, kommt nicht von ungefähr. Sie ist vielmehr Folge einer Politik, die schlicht nicht willens ist, ausreichend Mittel und Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

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