Politik des kalkulierten Tabubruchs: Die AfD und der Rechtsruck im öffentlichen Diskurs

Die AfD ist am 13. März triumphal in drei Landtage eingezogen. In Rheinland-Pfalz kam die Partei auf 12,6 Prozent, in Baden-Württemberg auf 15,1 Prozent und in Sachsen-Anhalt landete sie mit 24,2 Prozent auf Platz zwei – deutlich vor Linken und SPD.. Diese Ergebnisse wären noch vor einigen Monaten undenkbar gewesen. Im Sommer vergangenen Jahres schien es, als würde die Partei vollends von der Bildfläche verschwinden. Nach der Abspaltung der Gruppe um Parteigründer Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel im Juli fiel die AfD in Umfragen auf bis zu 3 Prozent. Auch als die breite Solidarität mit Flüchtlingen die öffentliche Debatte prägte, konnte die AfD nicht auf sich aufmerksam machen. Doch auf den Sommer der Migration und der „Willkommenskultur“ folgte der Herbst, auf den Rausch der Kater. Bereits Ende September gingen die Umfragewerte für die AfD wieder nach oben, im Dezember lag die Partei bei den großen Wahlforschungsinstituten bei bis zu 10 Prozent. Auch die Debatte um die Silvesternacht in Köln kam der AfD zugute. So konnte die Partei zunächst in den Umfragen kräftig zulegen. Anschließend widmeten sich Tageszeitungen, Politmagazine und Talkshows wochenlang der AfD. Die Aufmerksamkeit stabilisierte die AfD, der „Köln-Effekt“ verstetigte sich. Nun sitzt sie in insgesamt acht Landtagen. „Politik des kalkulierten Tabubruchs: Die AfD und der Rechtsruck im öffentlichen Diskurs“ weiterlesen

Die Agonie eines rechten Projekts: Der Führungsstreit in der AfD eskaliert und könnte die Partei entzweien

Kaum waren die Bürgerschaftswahlen in Bremen beendet, da rief Bernd Lucke zum letzten Gefecht in der Alternative für Deutschland (AfD). In einem Brief an alle Parteimitglieder bekundete er seine Sorge um die Partei. Die AfD sei gespalten: Denen, die sachorientiert kritisieren, aber sich auf dem Boden der wesentlichen Grundsatzentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland befinden, stünden diejenigen gegenüber, die die Systemfrage stellen und sich »neutralistisch, deutschnational, antiislamisch, zuwanderungsfeindlich, teilweise auch antikapitalistisch, antiamerikanisch oder antietatistisch« äußern. Luckes offene Kampfansage: Der Konflikt müsse entschieden werden, auch wenn das zu Mitgliederverlusten auf der einen oder anderen Seite führen würde.

Was Lucke geflissentlich unterschlägt: Er war es, der die Partei einst strategisch nach rechts ausgerichtet hat. Knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl 2013 schrieb Lucke an seine Vorstandskollegen Alexander Gauland und Konrad Adam eine aufschlussreiche Mail, deren Wortlaut Der Spiegel zum Teil veröffentlichte. Gegenüber seinen heutigen erbitterten Kontrahenten forderte er einen Tabubruch, um den bis dahin schleppend laufenden Wahlkampf ein wenig in Fahrt zu bringen. So schlug er vor, Thilo Sarrazin zu vereinnahmen. Das könne viel Aufmerksamkeit, Kritik der linken Presse und viel Zuspruch in der Bevölkerung einbringen. Die mittlerweile aus der AfD ausgetretene Michaela Merz konnte die offene Werbung mit und für Sarrazin damals im Bundesvorstand verhindern. Rückblickend schreibt sie Lucke bei der Öffnung nach rechts eine Schlüsselrolle zu: »Er ist maßgeblich für die spätere Entwicklung verantwortlich, da er die Partei bewusst dem rechten und rechtspopulistischen Rand geöffnet hat.« Die Zusammensetzung der AfD veränderte sich nachhaltig: Die rechten Flügel wurden in der Folge immer mächtiger, und fast alle Liberalkonservativen verließen die Partei. Aus linker Sicht ist der Aufstieg der rechten Flügel eine gute Nachricht.

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