Wer sind »die da unten«?: Christian Baron ist entsetzt über linke Vorurteile gegenüber Arbeitern

In diesem Sommer ist die Diskussion um die »kleinen Leuten« neu entfacht. Die einen stellen mit Bedauern fest, was die anderen mit teilnahmslosem Achselzucken quittieren: Die gesellschaftliche Linke hat sich seit langem von der Arbeiterklasse entfernt. Von dieser Entfremdung handelt auch das Buch von Christian Baron. „Wer sind »die da unten«?: Christian Baron ist entsetzt über linke Vorurteile gegenüber Arbeitern“ weiterlesen

Das Märchen vom bösen Armen: Die Soziologin Britta Steinwachs lüftet den ideologischen Schleier des Privatfernsehens

Wer heute den Fernseher einschaltet, kann ziemlich sicher sein, dass es in den Sendungen des Nachmittagsprogramms auch um die sogenannte Unterschicht geht. Verhandelt wird das Leben der Arbeiterklasse heute vor allem in sogenannten Scripted-Reality-Formaten. Das sind kostengünstig produzierte Sendungen, die zwar aussehen wie eine Dokumentation, aber komplett fiktional sind. Welches Wissen diese Serien aufgreifen und reproduzieren, fragt sich die Soziologin Britta Steinwachs in ihrem Buch »Zwischen Pommesbude und Muskelbank. Die mediale Inszenierung der Unterschicht«. Sie hat sich mit »Familien im Brennpunkt« (RTL) eine der geskripteten Fernsehsendungen genau angeschaut und analysiert zwei Folgen vor dem Hintergrund der seit mehr als zehn Jahre laufenden Diskussion um eine »Neue Unterschicht«. „Das Märchen vom bösen Armen: Die Soziologin Britta Steinwachs lüftet den ideologischen Schleier des Privatfernsehens“ weiterlesen

Hartz IV und der Ruf des Muezzins. Oliver Nachtweys neues Buch hilft, das reaktionäre Unbehagen der »Abstiegsgesellschaft« zu verstehen

Es war eine lange Diskussion. Stundenlang diskutierten ein Mann um die 60 und ich in einer Kneipe in Ostdeutschland. Es ging um die DDR, die Wende – und um den Kapitalismus. Nach einer Tonne Zigaretten und ein paar Getränken zu viel kamen wir auf die einstige Schröder-Fischer-Regierung zu sprechen. Wir schienen uns zunächst einig in der Ablehnung, doch dann sagte mein Gegenüber: »Rotgrün hat uns nichts Gutes gebracht, dafür Hartz IV und Muslime.« Er wolle in seiner Kleinstadt keine Minarette und keinen rufenden Muezzin, gab er mir mit besorgter Miene zu verstehen. Es entbrannte ein Streit, in Zuge dessen mein Gesprächspartner Sympathien für PEGIDA und die AfD offenbarte. Gut möglich, dass viele derjenigen, die momentan gegen Flüchtlingsunterkünfte, Angela Merkel und für das Abendland marschieren, ähnliches über Rotgrün denken – und eine ähnliche Verbindung herstellen. Doch was hat der neoliberale Sozialstaatsabbau mit der Sichtbarkeit von Minderheiten zu tun?Von der Kritik an Rotgrün abstrahiert und von der spezifischen DDR- und Wendeerfahrung abgesehen, hilft das Buch »Die Abstiegsgesellschaft«, den Streitauslöser besser zu verstehen. Darin stellt sich der Soziologe Oliver Nachtwey die Frage, in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben. Seine Antwort: Trotz sinkender Arbeitslosigkeit, trotz einer florierenden Wirtschaft blicken die Menschen keineswegs optimistisch in die Zukunft. Im Gegenteil: Aus einer Gesellschaft des sozialen Aufstiegsversprechens wurde die des realen Abstiegs. „Hartz IV und der Ruf des Muezzins. Oliver Nachtweys neues Buch hilft, das reaktionäre Unbehagen der »Abstiegsgesellschaft« zu verstehen“ weiterlesen

Alles AfD oder was? Die Bundesregierung verschärft ihre aggressive Standortpolitik

Es kehrt so langsam Ruhe ein in die Asyldebatte, was vor allem an der intensivierten Abschottung Europas liegt. Auch an die AfD scheinen sich Medien und Politik langsam zu gewöhnen. Entgegen der Annahme, die AfD werde an Rückhalt verlieren, wenn weniger Flüchtlinge kämen, steigt die Partei weiter in der Gunst der Bevölkerung. Momentan liegt sie Umfragen zufolge bei satten 15 Prozent. Die derzeitige Diskussion um einen linken Umgang mit der AfD bleibt daher notwendig, auch um eine Praxis gegen den Rechtstrend zu entwickeln. Ende April unternahmen Aktivist_innen einen Versuch, den AfD-Bundesparteitag in Stuttgart zu blockieren. Durch den Fokus auf die AfD droht allerdings eine andere Frage aus dem Blick zu geraten: Was macht eigentlich die Bundesregierung? Die ist gerade recht geschäftig. Eine umfassende Hartz-IV-Reform ist auf den Weg gebracht – vor allem zu Lasten Alleinerziehender und Langzeitarbeitsloser. Nach einem weiteren Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sollen EU-Migrant_innen erst nach fünf Jahren Anspruch auf Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe haben.Außerdem wird es bald ein Integrationsgesetz aus dem Innenministerium geben. Es sieht Leistungskürzungen vor, wenn Geflüchtete Integrationsmaßnahmen ablehnen. Deutschland wolle schließlich keine »Integrationssimulanten«, wie Sigmar Gabriel Mitte April schnaubte. Dass in der Realität etwa die Angebote für Deutschkurse nicht ausreichen und Geflüchtete häufig lange auf diese warten müssen, spielt für den SPD-Chef keine Rolle. „Alles AfD oder was? Die Bundesregierung verschärft ihre aggressive Standortpolitik“ weiterlesen

Fett, faul, fernsehsüchtig: Das Arbeitslosenstereotyp in den Medien und seine Funktion

Wer ist Schuld an der Arbeitslosigkeit? Die Arbeitslosen natürlich! Diese Idee hat eine lange Tradition in Deutschland, regelmäßig holen PolitikerInnen sie aus der Mottenkiste. Doch ist sie nicht nur Ablenkungsmanöver im Vorwahlkampf, sondern oft genug Anlass für den Umbau des Sozialstaats im Sine des Kapitals.

Was ist eigentlich ein Arbeitsloser für ein Mensch? Glaubt man den Bildnern der Unterschichtskultur sind die meisten Arbeitslosen faul, ungepflegt, unrasiert, ungewaschen, ungekämmt, tragen die vor allem Unterhemden, schauen unentwegt Trash-TV, konsumieren literweise Bier und kiloweise Chips, sind entsprechend übergewichtig, leben in Problembezirken und sind sexuell verwahrlost. Kurzum: Arbeitslose machen den lieben langen Tag nichts sinnvolles ? und das auf Kosten anderer. Die Aufzählung mag überzeichnet sein, aber all die genannten Eigenschaften kursieren seit Jahren, wenn in der Öffentlichkeit von der «Neuen Unterschicht» die Rede ist. Nicht nur in Boulevardblättern, auch «Qualitätsmedien» und wissenschaftliche Journals zeichnen seit Jahren an diesem Bild von Erwerbslosen. Das Arbeitslosenstereotyp vereinheitlicht Erwerbslose und wirft ihnen vor, auf Kosten anderer zu leben. Fataler Effekt: Um sich dem Verdacht zu entziehen, müssen sich Erwerbslose als besonders fleißig und arbeitswillig präsentieren und sich als «würdige Arbeitslose« von den «unwürdigen» abheben. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit fand in einer Studie aus dem Jahr 2014 heraus, dass viele Erwerbslose die Prämissen des Unterschichtendiskurses selbst verinnerlicht haben. „Fett, faul, fernsehsüchtig: Das Arbeitslosenstereotyp in den Medien und seine Funktion“ weiterlesen