Partei der entsicherten Mitte – Entsolidarisierung, Rassismus, Wohlstandschauvinismus und Ungleichheitsideologien: über die AfD-Kernwähler

Die Gründe für den außerordentlichen Erfolg der AfD bei den Mittelschichten sind in den sozialen, ökonomischen und politischen Veränderungen der vergangen Jahre zu suchen. Zahlreiche Studien belegen, dass die Mittelschicht schrumpft. Eine gemeinsam von der Bertelsmann-Stiftung, dem Deutschen Institut für Wirtschaft und der Universität Bremen im Jahr 2012 durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass seit 1997 der Anteil der Mittelschicht an der Gesamtgesellschaft von 65 auf 58 Prozent gesunken ist. Als Mittelschicht werden dabei diejenigen gefasst, die über 70 bis 150 Prozent des mittleren Einkommens verfügen.

Zugleich sind die unteren und untersten Einkommensschichten um fast vier Millionen Menschen angestiegen. An die Stelle der Aufstiegsmobilität trete zunehmend die Gefahr des sozialen Abstiegs, und die Sorgen um die wirtschaftliche Situation innerhalb der Mittelschicht hätten sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre deutlich vergrößert.

Diese Entwicklung geht mit dem Ausbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse – also befristete, niedrig entlohnte und von mangelnder rechtlicher Absicherung geprägte Lohnarbeit – einher, die nicht nur Teile der Arbeiterklasse betrifft. Dem französischen Soziologen Robert Castel zufolge existiert auch eine »›gehobene‹ Form von Prekarität« in Teilen der Mittelschicht, die gut bis sehr gut qualifiziert sind.

Das betrifft vor allem die Generation der heute unter 40-Jährigen. Die warme Stube der Baby-Boomer-Eltern dient noch als Orientierung, aber wird für immer weniger Menschen der nachfolgenden Generationen zur Lebensrealität. Das wärmende Gefühl sozialer Sicherheit weicht einer klammen Abstiegsangst, die – ob berechtigt oder nicht – immer weitere Teile der Mittelschicht erfasst. Der boomende und sozialstaatlich abgefederte Kapitalismus, der für die Generation der Eltern noch Aufstiegschancen versprach, hat sich gewandelt in einen Krisenkapitalismus, von dem man sich nichts mehr erhofft, sondern der einen stets mit Abstieg oder gar Ausschluss bedroht.

Zur Abstiegsangst gesellte sich im Zuge der Krise zunehmend eine Ablehnung der gegenwärtigen Parteiendemokratie. Hier sind es ebenfalls vor allem Menschen unter 40, die sich durch die bestehenden Parteien immer weniger repräsentiert sehen. Die Abkehr von Parteiorganisationen und parlamentarischer Repräsentation verweist auf ein Phänomen, das Colin Crouch vor einigen Jahren als »Postdemokratie« beschrieben hat. „Partei der entsicherten Mitte – Entsolidarisierung, Rassismus, Wohlstandschauvinismus und Ungleichheitsideologien: über die AfD-Kernwähler“ weiterlesen