Neoliberale Einheitsfront: In der Wirtschaftspolitik unterscheidet sich das Programm der rechtspopulistischen AfD kaum von dem der etablierten Parteien

An diesem Wochenende werden in Frankfurt am Main mehr als 400 Menschen zur Konferenz des Bündnisses »Aufstehen gegen Rassismus« erwartet. Christine Buchholz, eine der Initiatorinnen und Mitglied des geschäftsführenden Parteivorstandes der Linkspartei, warb in jW am 19. April für diesen breiten Zusammenschluss. Neben der Partei Die Linke und linksradikalen Gruppen haben den Aufruf auch die Jusos sowie Funktionäre von SPD und Grünen unterzeichnet. Je nach Ziel können breite Bündnisse zwar durchaus sinnvoll sein. Doch in »Aufstehen gegen Rassismus« wirken Kräfte mit, die Teil des Problems sind.

In der aktuellen Polarisierung in der Asyldebatte dominieren zwei Positionen: Die Fronten verlaufen entlang der Merkel-Position und jener der AfD, dazwischen befindet sich irgendwo Horst Seehofer. Eine linke Position, die zumindest die Verteilungsfrage stellt, ist marginal. Damit ist die Debatte Ausdruck eines Konflikts über zwei Formen bürgerlicher Herrschaft im gegenwärtigen Kapitalismus.

Auf der einen Seite vertreten die Verbände der Unternehmer, Bild und Parteien von CDU bis Grüne eine Spielart des Neoliberalismus, die auf Standortwettbewerb setzt und die exportorientierten Kapitalfraktionen begünstigt. Sie pflegen Minderheiten gegenüber einen einigermaßen liberalen Umgang. Auf der anderen Seite steht die AfD mit einer autoritär-nationalistischen Variante des Neoliberalismus. Sie betreibt eine Wirtschaftspolitik eher im Interesse der auf lokale Absatzmärkte setzenden Kapitalfraktionen. Gleichzeitig spricht sie mit sozialpolitischer Rhetorik Teile der Arbeiterklasse an. Flankiert wird dies von einer erzreaktionären Gesellschaftspolitik.

Gemein ist beiden Formen nicht nur die kapitalfreundliche Politik, die den Druck auf Lohnabhängige stetig erhöhen möchte, sondern auch der Rassismus, wenngleich dieser in unterschiedlichem Gewand auftritt: Die einen repräsentieren eine modernisierte Form von Ausgrenzung entlang von Nützlichkeitskriterien bzw. anhand der »Verwertbarkeit« von Individuen. Die anderen berufen sich je nach ideologischer Tradition auf »Kulturen«, Ethnien oder die »Volksgemeinschaft«.

Überschneidungen der verschiedenen Spielarten des Neoliberalismus aufzuzeigen und eine Alternative zu beiden anzubieten sollten Anliegen einer Auseinandersetzung der politischen Linken mit dem Aufstieg der AfD sein.

Konkret: Eine sinnvolle Strategie gegen rechts muss Antirassismus mit einer klaren Absage an den seit Jahren geführten Klassenkampf von oben verbinden und sich strikt gegen weitere Sozialkürzungen und Kriegs­einsätze aussprechen – gegen all das also, was auch von den Bundesregierungen von SPD und Grünen betrieben wurde. Eine prinzipielle Abkehr von dieser Politik ist von den beiden Parteien nicht zu erwarten. Sie sind Teil des neoliberalen Machtblocks.

Dass es linke Positionen auch in breiten Bündnissen schwer haben werden und es eben nicht um eine »solidarische Alternative« in umfassender Form gehen wird, wie Christine Buchholz es sich erhofft, zeigte sich bereits bei der gemeinsamen Formulierung des Aufrufs von »Aufstehen gegen Rassismus«. Die Vorsitzende der Jusos strich Passagen, die sich gegen die von der SPD mit auf den Weg gebrachte Asylrechtsverschärfung richteten und in denen darauf hingewiesen wurde, dass Flüchtlinge zu Sündenböcken für soziale Verwerfungen gemacht werden. Ihr Argument: Damit würden breite Bündnisse verhindert.

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Erschienen in Junge Welt vom 23.04.2016.