Als im Herbst 2014 Tausende in Dresden gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes marschierten, war die Aufregung groß. Von Bild bis taz, von Tagesschau bis RTL aktuell, von Bundeskanzlerin Angela Merkel bis BDI-Präsident Ulrich Grillo sorgte man sich angesichts der rassistischen Mobilisierungswelle. Medien übertrafen sich darin, die in Dresden verbreiteten Thesen zu widerlegen und Politik wie Wirtschaft wurden nicht müde zu betonen, dass Deutschland weltoffen sei und (nützliche) Einwanderung benötige. Eine Frage kehrte immer wieder: Wie konnte Pegida so schnell so viele Menschen anziehen? Es liege an Dresden, meinten manche. Andere beschuldigten die DDR, die Bevölkerung zu dumpfen Rassist/innen erzogen zu haben. Warum es aber gerade das Ticket Islam und Muslime war, das Pegida für sich nutzte, wurde kaum diskutiert.
Antimuslimischer Rassismus ist in Deutschland nicht erst seit den Demonstrationen in Dresden oder dem Aufstieg der AfD virulent. Seit den 1990er Jahren wird regelmäßig über „Hassprediger“, „Schläfer“, „Parallelgesellschaften“, „Kopftuchmädchen“, „Integrationsverweigerer“ und „muslimisch geprägte Problembezirke“ diskutiert. Jahrelang befeuerten Teile der offiziellen Politik und weite Teile der gleichen Medien, die sich seit Herbst so besorgt zeigen, ein Klima des Misstrauens und der Ablehnung gegenüber muslimischem Leben in Deutschland.
Grund genug, sich also noch einmal der Entstehung sowie der Merkmale und Erscheinungsformen des Antimuslimischen Rassismus zu widmen. Einen Schwerpunkt legen wir dabei auf die ideologische Funktion bezogen auf sozial- und bildungspolitische Themen. Da sich auch bei antirassistischen Linken manches Mal eine gewisse Ratlosigkeit breit macht, wie dem Antimuslimischen Rassismus der extrem Rechten, aber auch der „Mitte“, begegnet werden kann, wollen wir davon schließlich Grundzüge eines antikapitalistischen Verständnisses von Antirassismus skizzieren. „Kultur statt Klasse: Zu den ideologischen Funktionen des Antimuslimischen Rassismus in Deutschland“ weiterlesen